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Bildungsmodule: Gesundheitliche Folgen des Klimawandels

12.01.2017

Fortbildungsangebot für Kinder- und Jugendärzte: Umweltbelastungen und klimawandelbedingte Erkrankungen gefährden besonders Kinder.

Bildungsmodule für Kinder- und Jugendärzte/innen: Gesundheitliche Folgen des Klimawandels

Im Rahmen der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel entwickelt eine Arbeitsgruppe am Klinikum der Universität München spezielle Bildungsmodule für Kinder- und Jugendärzte/innen. Kinder und Jugendliche sind aufgrund ihrer Verletzbarkeit eine spezielle Risikogruppe für Umweltbelastungen und für klimawandelbedingte gesundheitliche Gefahren. Teilnehmende Ärzte/innen lernen in E-Learning und Präsenzphasen klimawandelbedingte gesundheitliche Gefahren für Kinder und Jugendliche kennen und werden befähigt, adäquat in Prävention, Diagnostik und Therapie auf diese zu reagieren. Das Blended-Learning-Angebot entspricht den Qualitätskriterien der Bundesärztekammer und wird bundesweit angeboten; die Module werden mit Fortbildungspunkten angeboten werden.

Klimawandel und Public Health-Relevanz für Deutschland

Klimawandelbedingte gesundheitliche Gefahren stellen das Gesundheitssystem bereits heute vor eine enorme Aufgabe. Die Weltgesundheitsorganisation charakterisiert den Klimawandel als „[…] one of the major health challenges of the future […]“ [1] und verweist auf zahlreiche damit verbundene Gesundheitsprobleme, die auch in Deutschland bereits auftreten [1;2]. Bisher bestehen noch große Wissenslücken und Unsicherheiten in Bezug auf die Relevanz von klimawandelbedingten Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung, auch fehlen Informationen über die Zusammenhänge von direkten und indirekten Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit. Um die Wissensbasis sowie Strategien und Handlungsmöglichkeiten zu verbessern, hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, BMUB, die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel entwickelt.

Im Rahmen der Anpassungsstrategie fördert das BMUB im Bereich Gesundheit unter anderem Pilotprojekte, die das Wissen über klimawandelbedingte Gefahren von wenigen Experten auf die im Gesundheitssystem präventiv und kurativ Tätigen übertragen, um die nötigen Fähigkeiten für neue Herausforderungen in Prävention, Diagnostik und Therapie zu vermitteln.

Kinder sind aufgrund ihrer Vulnerabilität eine spezielle Risikogruppe für Umweltbelastungen und insbesondere für die Exposition Klimawandel

Die Risikogruppe Kinder

Für Deutschland zeigt sich, dass Kinder und Jugendliche verstärkt exponiert sind gegenüber Hitze, UV-Strahlung, Allergenen, Luftschadstoffen, Extremwetterereignissen und neuen Infektionskrankheiten. Die daraus entstehenden Problemlagen, wie hitzebedingte Gesundheitsprobleme, ein erhöhtes Hautkrebsrisiko, Allergien, Atemwegserkrankungen sowie Unfälle oder psychische Belastungen aufgrund von Extremwetterereignissen, sind schon heute von Bedeutung. Da Kinder aufgrund ihrer Vulnerabilität eine spezielle Risikogruppe für Umweltbelastungen und insbesondere für die Exposition Klimawandel sind, ist es wichtig, in der Pädiatrie ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen.

Klimawandel in Praxis und Klinik – eine Herausforderung für Prävention, Diagnostik und Therapie

Anpassungsmaßnahmen bei hoher UV-Strahlung

Anpassungsstrategien finden sich unter anderem in den von der WHO erstellten Heat Health Actions Plans, beispielsweise im Zusammenhang mit der zunehmenden UV-Belastung. Bis 2050 wird eine Zunahme um 5 bis 10 % erwartet. Ein besonderes Risiko besteht im häufigeren Auftreten von Ozonniedrigereignissen im Frühjahr, bei denen teilweise sehr hohe UV-Strahlungswerte gemessen werden, die Haut aber noch sehr empfindlich gegenüber UV-Strahlung ist. UV-Strahlung und schwere Sonnenbrände im Kindes- und Jugendalter sind ein hoher Risikofaktor für eine Hautkrebserkrankung, die inzwischen häufigste Krebserkrankung in Deutschland [3;4;5;6].

Durch entsprechende präventive Maßnahmen ließe sich das Erkrankungsrisiko deutlich senken. Die pädiatrische Praxis spielt in Aufklärung und Prävention eine bedeutende Rolle und kann einen wichtigen Beitrag zur Risikominimierung von Hautkrebserkrankungen leisten.

Klimawandel und Allergien

Die warmen Temperaturen führen auch zur Verlängerung der Vegetationsperiode und Ausbreitung invasiver Arten und somit zu einer mittlerweile fast ganzjährigen Exposition gegenüber Pollen. Im Jahr 2015 war nur noch der November frei von Pollenflug, denn einige Frühblüher, wie die türkische Hasel, standen in manchen Jahren bereits im Dezember in voller Blüte. Pollenallergiker leiden nicht nur unter einer Verlängerung der Pollenflugzeiten, sondern auch unter Neophyten, die sich aufgrund des warmen Klimas in Deutschland immer wohler fühlen. Ein häufig genannter „Einwanderer“ ist die beifußblättrige Ambrosia, die sich seit einigen Jahren nun nördlich der Alpen ansiedelt und häufig in Gärten oder Brachstellen zu finden ist. Wird sie sich weiter nach Norden ausbreiten, ist ein ganzjähriger Pollenflug zu erwarten. Erschwerend kommt hinzu, dass die Ambrosiapollen mit 50 Pollen / m³ hochgradig sensibilisierend sind und allergische Reaktionen schon bei rund 10 Pollen / m³ ausgelöst werden können; zudem kommt, im Vergleich mit anderen Pollen, bei einem besonders hohen Anteil der Ambrosia-Allergiker auch Asthma hinzu [7,8,9] .

Die zwischen 2009 und 2012 durchgeführte erste Folgebefragung der KiGGS-Studie zeigt, dass die Lebenszeitprävalenz atopischer Erkrankungen bei 0-17-jährigen Jungen und Mädchen bei 26,0% liegt. Bei 12,6% wurde schon einmal Heuschnupfen, bei 6,3% Asthma bronchiale diagnostiziert [10]. Eine durch u.a. wärmere Temperaturen gestiegene Pollenmenge sowie Kombinationseffekte mit Luftschadstoffen werden bei Kindern und Jugendlichen zu häufigeren und schwereren Erkrankungen sowie zu einer erhöhten Allergenität der Pollen führen [3]. Dabei wird auch das sogenannte Gewitterasthma an Bedeutung zunehmen.

Als weiteres Klimaphänomen kommt es zur Massenvermehrung von Eichenprozessionsspinnern, die zu erheblichen allergischen Hautreaktionen wie Urtikaria und einer maculo-papulösen Raupendermatitis führen. Die Reaktionen auf der Haut sind starker Juckreiz, Kontakturtikaria, Dermatitis und Konjunktivitis. Desweiteren können allergische Reaktionen der Atemwege sowie ein anaphylaktischer Schock ausgelöst werden. Das Krankheitsbild mit allgemeinem Unwohlsein und Fieber wird als „Lepidopterismus" bezeichnet [11,12].

Sowohl in der niedergelassenen Praxis als auch in der pädiatrischen Klinik muss das Wissen über klimawandelbedingte Erkrankungen auf alle Akteure übertragen werden, um von Prävention bis Therapie angemessen und adäquat (be-)handeln zu können.

Das Blended-Learning Angebot zu Klimawandel und Gesundheit

Auch wenn hier nur eine sehr geringe Auswahl von klimawandelbedingten gesundheitlichen Gefahren dargestellt werden konnte, so sollte die Relevanz für die Pädiatrie deutlich geworden sein. Die spezifisch für Kinder- und Jugendärzte/innen entwickelten Bildungsmodule greifen diese Thematik in einer auf 15 Stunden angelegten Fortbildung auf. Insgesamt werden 3 verschiedene Module mit je vier Unterrichtseinheiten angeboten.

Die Online-Module (20%) wechseln mit Präsenzphasen (80%) ab, die an etablierte Jahrestagungen und Kongresse angegliedert sind. Die einzelnen Module sind dabei separat buchbar und mit Fortbildungspunkten hinterlegt. Gemäß den Qualitätskriterien der Landesärztekammer werden entsprechende Lern- und Begleitmaterialien entwickelt und eine Betreuung durch Tutoren gewährleistet.

 

Kooperationspartner

Aufgrund der zunehmenden Wichtigkeit wird das Projekt von einer Vielzahl von Kooperationspartner unterstützt. Diese sind die Bundesärztekammer, die Bayerische Landesärztekammer, der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, die Deutsche Akademie für Prävention und Gesundheitsförderung im Kindes- und Jugendalter, die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, die Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin sowie die Gesellschaft pädiatrische Allergologie und  Umweltmedizin.

 

Mit Unterstützung der Kooperationspartner wird die 1. Modulreihe an folgenden Terminen angeboten:

  • Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. Berlin, 23. Juni 2017, vierstündiges Modul am Freitagvormittag.
  • Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Köln, 20. September 2017, vierstündiges Modul am Mittwochnachmittag.
  • Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin. Wiesbaden, 4. Oktober 2017, vierstündiges Modul am Mittwochnachmittag.

Termine für die 2. Modulreihe finden sich in Kürze auf der Projekthomepage. Die Kosten betragen je Modulblock 99,- Euro.

 

Weitere Informationen und Anmeldung über die projekteigene Homepage

www.klimawandelundbildung.de

 

Autoren:

Julia Schoierer1,2, Stephan Böse-O´Reilly1,2,3, Thomas Lob-Corzilius2,4, Colin O´Reilly 1

 Hanna Mertes1, 1 AG Pädiatrische Umweltepidemiologie, Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Klinikum der Universität München, München

2 Deutsche Akademie für Prävention und Gesundheitsförderung im Kindes- und Jugendalter, Bochum

3 Institut für Public Health, Medical Decision Making und Health Technology Assessment, Department für Public Health, Versorgungsforschung und Health Technology Assessment, UMIT- Private Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik, Hall i.T., Österreich

4 Christliches Kinderhospital Osnabrück  

 

Literatur

[1] Prüss-Üstün A, Wolf J, Corvalán C et al. (2016). Preventing disease through healthy environments. A global assessment of the burden of disease from environmental risks. Geneva: World Health Organization.

[2] World Health Organization & World Meteorological Organization (2012). Atlas of health and climate. Geneva: World Health Organization, World Meteorological Organization.

[3] Augustin J, Sauerborn R, Burkhart K et al. (2016). Gesundheit. In GP Brasseur, D Jacob & S Schuck-Zöller (Hrsg.), Klimawandel in Deutschland. Entwicklung, Folgen, Risiken und Perspektiven (S.137-150). Berlin, Heidelberg: Springer Spektrum.

[4] Ziello C, Sparks TH, Estrella N et al. (2012). Changes to airborne pollen counts across Europe. PLoS One 7 (4), e34076.

[5] RKI (2016). Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016. Berlin: Robert Koch-Institut.

[6] Rieder HE, Staehelin J, Maeder JA et al. (2010). Extreme events in total ozone over Arosa – Part 1: Application of extreme value theory. Atmos Chem Phys 10 (20), 10021-10031.

[7] Deutscher Wetterdienst (o. J.). Pollenflugstatistik. Abrufbar unter www.dwd.de/DE/leistungen/pollen/pollenstatistik.html [01.01.2017].

[8] Umweltbundesamt & Julius Kühn-Institut (2015). Ambrosia. Wissenswertes & Hintergrundinfos zum Ambrosia-Tag am 27. Juni 2015. Hintergrund, Juni 2015. Berlin: Umweltbundesamt.

[9] Böse-O`Reilly S, Lob-Corzilius T & van den Hazel P (2012). Klimawandel und Gesundheitssysteme in Europa. Pädiatrische Allergologie,15 (3), 31-33.

[10] Schmitz R, Thamm M, Ellert U et al. (2014). Verbreitung häufiger Allergien bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Ergebnisse der KiGGS-Studie – Erste Folgebefragung (KiGGS Welle 1). Bundesgesundheitsbl 57 (7), 771-778.

[11] Umweltbundesamt (2015). Monitoringbericht 2015 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel. Bericht der Interministriellen Arbeitsgruppe Anpassungsstrategie der Bundesregierung. Dessau-Roßlau: Berlin.

[12] Heudorf U (2011). Eichenprozessionsspinner – ein Thema auch für die kinderärztliche Praxis. Pädiatrische Allergologie 14 (1); 31-32.

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