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Wo bleiben die Kinder in der Krankenhausreform?

Offener Brief aus der Kinder- und Jugendmedizin an die Gesundheitspolitik

 

Sehr geehrte Damen und Herren,
die geplante Krankenhausreform weist gefährliche Lücken auf – und diese treffen die 14 Millionen Kinder und Jugendlichen in Deutschland. Wenn wir deren stationäre Versorgung nachhaltig sichern und verbessern wollen, müssen dringend fachkundige Anpassungen vorgenommen werden.

Laut einem Bericht des Deutschen Ärzteblatts vom 25. März 2025 werden bei der Weiterentwicklung der Krankenhausreform von den ursprünglich 65 Leistungsgruppen (LG) vier entfallen bzw. zumindest zunächst nicht weiter verfolgt – gleich zwei davon betreffen ausgerechnet kranke Kinder: die LG „Spezielle Kinder- und Jugendmedizin“ sowie die LG „Spezielle Kinder- und Jugendchirurgie“.

Das schafft immense Probleme. Leistungsgruppen sind ein zentrales Instrument für die Krankenhausplanung und damit für die Finanzierung der stationären Versorgung. Wenn diese spezialisierten Kinder-Leistungsgruppen wegfallen, wird ein Großteil der spezialisierten pädiatrischen Versorgung in der Landeskrankenhausplanung im Gegensatz zu den verschiedenen Fachgebieten der Erwachsenenmedizin schlichtweg nicht spezifisch berücksichtigt, sondern fällt in den Bereich der LG Allgemeine Kinder- und Jugendmedizin. Im schlimmsten Fall kann das dazu führen, dass Kinder und Jugendliche in Zukunft in Erwachsenenabteilungen behandelt werden – und nicht mehr von Fachkräften, die auf die besonderen Altersgruppen vom Neugeborenen bis hin zum Jugendlichen, auf deren besondere Krankheitsbilder und auf die Bedürfnisse von Familien mit akut und chronisch kranken Kindern spezialisiert sind.

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen!
Die Kinder- und Jugendmedizin ist so breit aufgestellt wie die Erwachsenenmedizin. Es gibt Kinderkardiologen, Kindergastroenterologen, Kinderpneumologen und viele weitere spezialisierte Fachrichtungen. Doch während die Erwachsenenmedizin in den verbleibenden 61 Leistungsgruppen weitgehend abgebildet ist, bleiben für einen höchst relevanten Anteil der Bevölkerung in Deutschland nur wenige Kategorien übrig (Allgemeine Kinder- und Jugendmedizin, Allgemeine Kinder- und Jugendchirurgie, Kinder-Hämatologie und -Onkologie und Perinatologie). Die fehlenden Spezialisierungen in den Leistungsgruppen bedrohen die Qualität und Sicherheit der Behandlung junger Patientinnen und Patienten.

Kinder benötigen eine Medizin, die speziell auf ihre körperlichen und emotionalen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Sie können nicht einfach in eine Erwachsenen-Leistungsgruppe eingeordnet werden. Zudem ist ihre Versorgung deutlich weniger planbar als bei Erwachsenen: Wenn Kinder krank werden, brauchen sie meist umgehend eine kompetente, kindgerechte Versorgung, die verlässlich abrufbar ist. LGs werden zukünftig als Kriterium für die Zuordnung einer Vorhaltevergütung genutzt: Sie sind damit unverzichtbar für die Leistungsfähigkeit der Pädiatrie.

Unser Vorschlag: Orientierung an der Weiterbildungsordnung
Ein sinnvoller Weg wäre, die Fachgebiete innerhalb der LG „Spezielle Kinder- und Jugendmedizin“ analog zur (Muster-)Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer zu definieren. Jeder Standort mit einer Weiterbildungsbefugnis behandelt die entsprechenden Patientengruppen, sonst läge keine Befugnis vor. Diesen Standorten könne die LG „Spezielle Kinder- und Jugendmedizin“ ohne bürokratischen Aufwand zuerkannt werden. Leider wurde dieser Vorschlag bisher nicht berücksichtigt. Falls dies nicht umgesetzt wird, muss es zumindest eine klare und inhaltlich stimmige Alterszuordnung in der spezialisierten Medizin und/oder die Zuordnung zur Pädiatrie geben, sodass Kinder und Jugendliche in Fachabteilungen für Kinder- und Jugendmedizin behandelt werden.

Blickwechsel: Kranke Kinder brauchen gleiche Rechte wie Erwachsene!
In der letzten Legislaturperiode sind gute grundsätzliche Entscheidungen für die medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen getroffen worden. In der nun notwendigen Umsetzung sollte im Geist dieser Entscheidungen konsequent gehandelt werden.
Wir appellieren daher dringend an Sie: Überarbeiten Sie die Krankenhausreform so, dass Kinder und Jugendliche nicht benachteiligt werden. Die medizinische Versorgung unserer Kleinsten muss eine Selbstverständlichkeit sein – nicht ein blinder Fleck in der Planung.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. med. Ursula Felderhoff-Müser (Präsidentin)
Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ)

PD Dr. med. Burkhard Rodeck (Generalsekretär)
Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ)

Wichtiges Signal für die Kinder- und Jugendmedizin

26.06.2024

Gemeinsame Position pädiatrischer Fachgesellschaften und -verbände zum BMG-Entwurf zur Notfallversorgung

Das Bundesgesundheitsministerium hat den lang angekündigten Entwurf für eine Reform der Notfallversorgung vorgelegt. Die darin enthaltenen Integrierten Notfallzentren für Kinder und Jugendliche (KINZ) sind ein wichtiger Schritt, den pädiatrische Fachgesellschaften und -verbände bereits seit langem fordern. In einer gemeinsamen Stellungnahme positionieren sich die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ), die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), die Gesellschaft der Kinderkrankenhäuser und Kinderabteilungen in Deutschland (GKinD), die Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin (GNPI) und der Verband Leitender Kinder- und Jugendärzte und Kinderchirurgen in Deutschland (VLKKD), unterstützt von weiteren pädiatrischen Fachgesellschaften einschließlich der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) zum aktuellen Referentenentwurf.

Vom Rettungsdienst über den vertragsärztlichen Notdienst und die Notaufnahmen - die Notfallversorgung in Deutschland steht vor großen demographischen, medizinischen und gesundheitsökonomischen Herausforderungen. Es bedarf daher dringend einer zukunftsorientierten Reform der Notfallstrukturen. Die KINZ sind dabei ein essenzieller Schritt, um die Notfallversorgung von Kindern und Jugendlichen sicherzustellen.

Ein Ziel des vorgelegten Referentenentwurfs aus dem Bundesgesundheitsministerium ist eine bessere Steuerung des Patientenzulaufs. Die kinder- und jugendmedizinischen Fachgesellschaften und -verbände begrüßen dieses grundsätzliche Ansinnen. Bislang suchen zu viele Patientinnen und Patienten Hilfe in den Notfallambulanzen und Notaufnahmen der Kliniken und Kinderkliniken und im vertragsärztlichen Notdienst. Viele dieser Patientinnen und Patienten könnten eigentlich in der ambulanten Regelversorgung versorgt werden oder bedürfen keiner akutmedizinischen Versorgung– auch in der Kinder- und Jugendmedizin. Dies führt zu einer Überbeanspruchung und Überlastung der Notfallversorgungsstrukturen – auf Kosten derjenigen, die eine notfallmedizinische Versorgung dringend benötigen.

Es ist sehr zu begrüßen, dass die kinder- und jugendmedizinischen Aspekte in den Entwurf eingeflossen sind.

Die Stellungnehmenden mahnen jedoch an, dass die Etablierung der Kinder-Notfallzentren nur gelingen kann, wenn die dafür erforderlichen Strukturen auch die entsprechende Finanzierung und personelle Ausstattung, auch in Zeiten eines zunehmenden Mangels an Fachpersonal erfahren

Die Etablierung der KINZ wird nicht flächendeckend überall in Deutschland möglich sein. Die jeweils regionalen Gegebenheiten müssen beim Auf- und Ausbau der Notfallversorgungsstrukturen unbedingt berücksichtigt werden. Wo ein Integriertes Notfallzentrum für Kinder und Jugendliche nicht in zumutbarer Zeit erreichbar ist, muss eine telemedizinische Anbindung der vorhandenen Strukturen an ein KINZ gegeben sein. So kann und muss die fachärztliche Versorgung wenigstens telemedizinisch gewährleistet werden.

Auch bei der Planung der Notfallversorgung muss also immer nach dem Grundsatz gedacht werden: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen!

 

Zur vollständigen Stellungnahme

 


Pressekontakt
Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ)
Dr. Sybille Lunau
Chausseestr. 128/129 | 10115 Berlin
Tel. +49 30 3087779-14
presse(at)dgkj.de | DGKJ-Homepage

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