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Lucie Adelsberger

09.05.2022

Ein "Stolperstein" vor ihrem ehemaligen Wohnort in Berlin erinnert an die Kinderärztin, die nach Auschwitz deportiert wurde.

Bild: Marburger Bund / Curth Moritz Voß

Bleibtreustr. 17 in Berlin-Charlottenburg: Hier wohnte Lucie Adelsberger, als sie 1943 deportiert wurde. Heute hat hier der Marburger Bund mit seinem Landesverband Berlin-Brandenburg seinen Sitz. Der Bund erinnert mit einem Stolperstein an das Schicksal der Kinderärztin, die hier über den Transport zum Sammellager berichtet:

„Wir fuhren eingeschlossen, auf einem Lastauto durch die Stadt, vorne am Wagen SS und hinten SS-Bewachung. Der offene Gefangenenwagen ... fuhr auf einem weiten Umweg durch die Linden, vorbei am Brandenburger Tor, durch den Tiergarten und durch Moabit mitten durch die Stadt, in der ich zwei Jahrzehnte gelebt und von der ich mich bei jedem Weggang mit Abschiedweh losgerissen hatte. Es war das gleiche Städtebild, noch standen die Kunstwerke, die Siegessäule, und noch dehnten sich die Rasenflächen des Tiergartens, und die Häuser reihten sich noch unzerbombt. Und dennoch war es eine andere Stadt. Ich kannte Enttäuschungen von Stätten, an denen ich hing und die ihr altvertrautes Antlitz gewandelt hatten und nur noch traumhafte Erinnerung waren und nie mehr Wirklichkeit wurden. Aber dies war etwas anderes, viel Ärgeres. Die Stadt war die gleiche, aber sie gehörte uns nicht mehr. Vom Wagen gab es kein Entrinnen, kein Aussteigen.

Die Straßen existierten nicht mehr für die Gefangenen der SS. Der Park, in dem man ehemals spazieren gegangen war, war nur noch Kulisse, die sich schnell verschob. Das Haus, darin man einst gewohnt hatte, stand feindselig da und ließ einen ungerührt passieren. Und die Menschen waren andere, nicht mehr Freunde, sondern Feinde. Gehässig starrten sie auf den Wagen mit den Gefangenen. Die Stadt, die ich einst geliebt hatte, war nicht mehr da. Es war eine fremde Stadt, schon vor Auschwitz“.

(aus: Lucie Adelsberger: Auschwitz. Ein Tatsachenbericht. Das Vermächtnis der Opfer für uns Juden und alle Menschen. Berlin: Lettner Verlag 1956. Neu herausgegeben, ergänzt und mit einem Anhang versehen von Eduard Seidler. Bonn: Bouvier 2001, 22005. Amerik. Ausgabe: Auschwitz. A Doctor’s Story. Boston: Northeastern University Press 1995.)

Die DGKJ sammelt in einer Datenbank, die auf den Forschungen von Prof. Dr. Eduard Seidler aufbaut, an das Schicksal Dr. Lucie Adelsbergers und weiterer jüdischer Kinderärztinnen und -ärzte zwischen 1933-1945. Die biographischen Einträge können Sie hier einsehen: Jüdische Kinderärztinnen und -ärzte 1933 -1945.

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