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"Sie haben einen der schönsten Berufe gewählt!"

03.09.2019

Interview mit PD Dr. Burkhard Rodeck, Generalsekretär der DGKJ, über Aufgaben und Ziele seiner Arbeit

Seit 2018 sind Sie Generalsekretär der DGKJ. Was ist Ihre Aufgabe?

Die DGKJ ist die wissenschaftliche Fachgesellschaft der Kinder- und Jugendmedizin und damit primär kein politischer Verband. Wir stellen aber immer wieder fest, dass unsere Kinder und Jugendliche kaum durchschlagskräftige Interessensvertreter in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft haben. Daher hat die DGKJ schon vor 7 Jahren die Position eines Generalsekretärs geschaffen, um den/die Präsidenten/in und den Vorstand im gesundheitspolitischen Bereich zu unterstützen.

Wie schätzen Sie die Priorisierung der Versorgung der Kinder- und Jugendlichen in der Gesundheitspolitik ein?

Alle sprechen von unseren Kindern, aber was wird konkret von wem getan? Nach Druck verschiedener Verbände sind Kinder im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien zwar deutlich präsenter, aber in der praktischen Umsetzung sehen wir an verschiedenen Stellen, dass noch viel getan werden muss.

Was sind die Hauptanliegen/Ziele für Ihre Amtszeit?

Die Gesetzgebung muss die Interessen der Jüngsten unter uns mit ihren Eltern/Angehörigen immer im Fokus haben. Die Selbstverwaltungsorgane müssen die Besonderheit der Kinder und Jugendlichen berücksichtigen. Gesundheitspolitik sollte nicht primär ökonomischen Interessen untergeordnet sein, sondern im Sinne einer selbst- verständlichen Daseinsfürsorge ausgestaltet sein. Der Prävention wird noch zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Nur 2–3 % der Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen laufen in diesen Bereich. Das ist viel zu kurzfristig gedacht. Die Arbeitsbedingungen aller derjenigen, die sich mit Kindern beschäftigen, müssen attraktiv gestaltet werden. Jede Investition in diesen Bereichen ist grundsätzlich eine Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft.

Welche Art von politischen Terminen zählen zum täglichen Brot des DGKJ-Generalsekretärs?

Mir geht es weniger um klassischen Lobbyismus, ich würde mich freuen, wenn meine Tätigkeit als seriöse Politikberatung eingeschätzt würde. Ich kenne die Pädiatrie, ich kenne die Probleme der Kinder und Jugendlichen. Die DGKJ repräsentiert mit 17.000 Mitgliedern fast alle Kinder- und Jugendärzte in Deutschland und hat damit Kenntnisse und Kompetenz wie kein anderer in unserer Gesellschaft. Diese Kenntnisse müssen in politische Entscheidungsprozesse einfließen.

Wie wollen Sie denn pädiatrische Themen setzen?

Dazu werden Gespräche auf verschiedenen Ebenen geführt, mit Abgeordneten in Ausschüssen oder Kommissionen (Gesundheitsausschuss, Kinderkommission, Mitgliedern der Kommission für Ernährung und Landwirtschaft ), mit Ministerien (Bundesministerium für Gesundheit, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Bundesministerium für Bildung und Forschung, Bundeministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Landesministerien), mit Organen der Selbstverwaltung (z. B. Gemeinsamer Bundesausschuss), mit wissenschaftlichen Fachgesellschaft en (z. B. AWMF, Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin) mit anderen Verbänden (Bundesärztekammer, Kindernetzwerk, Bundesverband der Arzneimittelhersteller, Landesärztekammern, Selbsthilfegruppen) und natürlich mit Verbänden und Organisationen rund um unser Fach (z. B. BVKJ, GKinD).

Wie wirken die politischen Gespräche auf Sie als erfahrener Pädiater und (ehemaliger) Chefarzt?

Es gibt Gesprächspartner mit echtem Interesse, die zuhören, die Probleme verstehen und zusammen mit uns an Lösungen arbeiten wollen und das auch tun. Es gibt auf der anderen Seite aber auch diejenigen, die wenig Interesse zeigen oder nur Probleme sehen. Es ist dann deutlich mühsamer, diese zu überzeugen.

Was glauben Sie, sind die bisher wichtigsten politischen Schritte in der 19. Legislaturperiode für die Versorgung unserer Jüngsten?

Die explizite Nennung von Kindern im Koalitionsvertrag, die Umsetzung des Deutschen Forschungszentrums für Kinder- und Jugendgesundheit, die Wahrnehmung der DGKJ als seriöser Partner, der zunehmend als Experte in politischen Anhörungen gefragt wird.

Welchen Themen muss Ihrer Meinung nach von politischer Seite mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden?

Als Stichworte seien genannt: Prävention, zukunftssichere medizinische Versorgungskonzepte, Unterfinanzierung und Personalmangel, endlich sichere Arzneimittelversorgung, mehr Gesundheits-/ Ernährungskompetenz in unserer Bevölkerung, die dann auch unseren Kindern nutzt.

Vor welchen Herausforderungen steht die Pädiatrie künftig?

Die Herausforderungen, die unsere Patienten mit sich bringen, ändern sich. Auf der einen Seite haben wir zunehmend mit „neuen Morbiditäten“ zu tun, die nicht mehr rein somatisch/medizinisch definiert sind, sondern wo problematische psychosoziale Verhältnisse dahinter stehen oder wo ganz klar die Psychosomatik im Vordergrund steht. Auf der anderen Seite betreuen wir in der Tertiärmedizin hochkomplexe Erkrankungsbilder aus unterschiedlichen pädiatrischen Subspezialitäten, die zwar in ihrer Gesamtheit „tägliches Brot“ an Universitätskliniken sind, im Einzelnen aber selten sind und damit sehr hohe Ansprüche an die versorgenden Tertiärzentren stellen. Oft genug sind die Leistungen in diesen Bereichen auch unterfinanziert.

Kinder- und Jugendärzte werden älter, wir müssen uns um unseren Nachwuchs kümmern. Lebensmodelle sehen heute anders aus als vor 30 Jahren, die Lebensarbeitszeit des/der Kinder- und Jugendarztes/ärztin im Beruf wird kürzer. Wir brauchen also mehr von uns. Das gelingt nur, wenn wir mehr Medizinstudenten ausbilden, wenn wir mehr von ihnen für unser wunderbares Fachgebiet begeistern können, wenn wir gute, familienfreundliche Weiterbildungscurricula entwickeln und umsetzen – kurz in dem wir die Arbeitsbedingungen im Sinne der „Jungen DGKJ“ attraktiv machen.

Das Thema der Transition, der kompetenten Übergabe der Behandlungsführung von Jugendlichen vom Pädiater an den Erwachsenenmediziner, hat einen hohen Stellenwert. Ca. 15 % aller Jugendlichen haben einen erhöhten medizinischen Betreuungsbedarf, sind also chronisch krank und werden auch in der Erwachsenenmedizin weiter betreut werden müssen.

Die Digitalisierung in der Medizin stellt für uns alle eine Herausforderung dar, aber auch eine riesige Chance, die wir nutzen müssen! Wir müssen offen nach modernen Lösungen suchen und diese auch verwirklichen.

Die Daseinsfürsorge außerhalb der Ballungszentren muss weiterhin gewährleistet werden. Wie oben bereits genannt, brauchen wir gute Konzepte, um den Kindern gute ambulante und stationäre Medizin wohnortnah anbieten zu können.

Was wünschen Sie sich von der Gesundheitspolitik?

Ein offenes Ohr und die Anerkennung der Kompetenz der DGKJ in den oben genannten Themen – und natürlich die Umsetzung unserer Vorschläge!

Was begeistert Sie an der DGKJ am meisten?

Ich bin sehr froh, dass wir in unserer Gesellschaft die „Junge DGKJ“ haben. Vorstandsarbeit ist viel Routine, sie lebt aber auch vom Input aller. Und was könnte wichtiger sein als der Input der nachwachsenden Pädiater-Generation, der „Jungen DGKJ“?

Der offene, ehrliche und engagierte grundsätzlich immer an einer Lösung interessierte Einsatz aller in den Gremien der DGKJ Tätigen, sei es in den Kommissionen, der Geschäftsführung oder im Vorstand ist für mich persönlich eine starke Motivation, es macht einfach Spaß, für die DGKJ zu arbeiten.

Was empfehlen Sie jungen Kolleginnen und Kollegen?

Sie haben einen der schönsten Berufe gewählt. Engagieren Sie sich auch für die politischen Belange der Kinder und Jugendlichen, engagieren Sie sich in der DGKJ, werden Sie aktiv bei der „Jungen DGKJ“. Damit bleibt unsere Gesellschaft jung und unsere Themen bleiben aktuell!

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