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Siegfried Wolff

Dr. med., Kinderarzt, Direktor d. Säuglings- u. Kinderklinik


Stadt / Region Eisenach
Adresse Karthäuserstr. 74
Geburtsdatum 22.01.1888
Geburtsort Gnesen
Geschlecht (männlich/weiblich) männlich
Sterbedatum Mitte 10/1944
Sterbeort Auschwitz
Schicksal Deportation
Biografische Angaben

Studium in Freiburg, Breslau, Berlin, München, Heidelberg. Approbation 1912, Dissertation München 1912. 1911-12 Gisela-Kinder-Hospital München (Ibrahim). 1912-14 Innere Abt. Städt. Krankenhaus Wiesbaden. Wegen körperl. Behinderung v. Kriegsteilnahme freigestellt. 1914-20 Leitender Arzt der Städt. Säuglings- u. Kinderfürsorge Gnesen, Einrichtung u.a. einer Städt. Milchküche, einer Mütterberatungsstelle und einer „Spezialkinderklinik zur Fürsorge für diejenigen Kinder, die wegen ihrer sozialen und häuslichen Verhältnisse als gefährdet erschienen“. Diese Klinik war eine der ersten, die eine staatl. Konzession zur Ausbildung von Säuglingsschwestern erhielt. Organisation des Säuglings- u. Kinderschutzes für die Provinz Posen. 1920 nach d. Übergang von Gnesen an Polen Option für Deutschland, Niederlassung in Eisenach. 1924-28 Leitender Arzt d. Privatklinik für Säuglinge und Kleinkinder der Kinderpflegerin Elfriede Grämer, Amalienstr. 2. 15.12.1928: Nach Erwerb und Umbau d. Hauses Kaiser-Wilhelm-Str. 16 durch einen Onkel der Inhaberin Eröffnung als private „Säuglings- und Kinderklinik“ (30 Betten, Op., Labor, Milchküche, Röntgen).

1932 Konkursanmeldung der Klinik, gleichzeitig Strafanzeige gegen S.W. durch den städt. Jugendarzt u. NS-Mitglied Dr.Bartels: „Die Klinik hat am 18.Dezember 1929 die ...erforderliche Konzession...unter folgender Bedingung erhalten: ‚Personen mit ansteckenden Krankheiten und Geisteskranke dürfen nicht aufgenommen werden’. Gegen diese Bedingung haben Sie in der angegebenen Zeit in insgesamt 60 Fällen insofern verstoßen, als Sie sowohl Personen mit Infektionskrankheiten, sowie insbesondere auch Personen mit nach den Thür. Bestimmungen meldepflichtigen Infektionskrankheiten in die Klinik aufgenommen haben. Die einzelnen Fälle ergeben sich aus der anliegenden Tabelle, die die Namen der Patienten, die Art der Erkrankung, die Dauer der klinischen Behandlung und deren Erfolg enthält“.

Begutachtung der Fälle durch die Spitzen der deutschen Pädiatrie, u.a.: Goebel (Halle): „Herr Dr.Wolff gehört zu den ganz wenigen in der Praxis stehenden Kinderärzten, die es fertig bringen, neben ihrer täglichen Arbeit in wissenschaftlichen Gesellschaften vorzutragen und wissenschaftliche Abhandlungen zu veröffentlichen...Bei der Durchsicht sämtlicher 60 Fälle, die dem Beklagten zur Last gelegt werden, finde ich nicht einen einzigen Verstoß gegen die Verpflichtung...Wenn die Stadt Eisenach Herrn Dr. Wolff auf Grund solcher sinn- und haltloser Anschuldigungen die Konzession zum Betrieb der Kinderklinik entziehen will, so kann man nur die Kinder dieser Stadt beklagen...“

Noeggerath (Freiburg): „Von allen diesen Fällen bestreite ich, daß in einer sachgemäß geführten Kinderklinik Übertragungen in Betracht kommen, von einer Gefährdung der Nachbarschaft ganz zu schweigen“.

Langstein (Berlin): „Ich habe mir an den Kopf gegriffen...daß ein derartiger Vorwurf Herrn Dr.Wolff gegenüber überhaupt möglich ist. Dieses Gutachten und dieses Urteil bedrohen nicht nur Dr.Wolff und seine Klinik, sondern die gesamte Deutsche Pädiatrie und den gesamten Deutschen Kinderschutz...Keiner der vorgebrachten Fälle ist irgendwie unsachgemäß behandelt worden oder konnte von der Aufnahme ausgeschlossen werden... Auf meine Veranlassung wird sich auch die Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde, evtl. das Reichsgesundheitsamt mit dieser prinzipiell für die Kinderheilkunde wichtigen Entscheidung befassen.“

Im gleichen Sinne äußern sich Finkelstein (Berlin), Selma Meyer (Düsseldorf), Bessau (Berlin), Czerny (Berlin), Ibrahim (Jena), Pfaundler (München). Einstellung des Verfahrens, erneute Konzessionserteilung, jetzt als Belegklinik. Aufrechterhaltung möglicherweise durch Zuwendungen ausländischer Verwandter. RMK 1937+; DGfK MV 1933 angekreuzt, bis 1938 geführt. 1934 Ablehnung eines Angebotes zur Übernahme einer Kinderklinik in Tel Aviv. 1935 im Zusammenhang mit einem Schwangerschaftsabbruch durch einen Belegarzt erneute Anklage gegen S.W.; Freispruch 1937 durch das Reichsgericht. 1938 Berufsverbot.

05.08.1938, Wolff an DGfK (Goebel): „Heute komme ich mit einer großen Bitte. Wie Sie ja wissen, muß ich Ende Sept. von meiner Praxis Abschied nehmen. Da Sie mich ja nun ein Leben lang kennen, brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen, wie schwer mir das fällt. Ich muß nun sehen, wo ich eine Stelle finde. Und da möchte ich Sie sehr bitten, mir doch ein Zeugnis über mich und meine Tätigkeit, die Sie ja kennen, zu senden. Ich brauche Ihnen nicht zu versichern, daß ich damit keinen Unfug treiben werde. Wie stets in Verehrung und Hochachtung Ihr ergebenster Wolff.“ Vermerk des Sekretariates 08.08.1938: Unbeantwortet abgelegt.

Vergebliche Emigrationsversuche nach Chile, England, USA, befristete Aufenthaltsgenehmigung für Holland. 29.08.1939 Abmeldung nach Rotterdam, Versand eines Abschiedsgrußes an Patienten und Freunde. Möglicherweise Tätigkeit in einem Kinderheim in der Nähe von Arnheim. Nach der deutschen Okkupation Internierung im Zentrallager Westerbork, dort ärztl. Betreuung inhaftierter Kinder. 06.09.1944 Transport nach Theresienstadt, von dort am 12.10.1944 mit Transport Nr. Eq 1303 nach Auschwitz.

Nicht sicher belegt ist die Auskunft, W. habe in Theresienstadt von dem ehemaligen Eisenacher Kollegen Dr. Wiesen das Angebot erhalten, versteckt zu werden. Dies habe er abgelehnt; in Auschwitz soll ein Mithäftling gesehen haben, wie er zusammen mit einer Gruppe von ihm betreuter Kinder ins Gas gegangen sei. (Auskunft Jüd. Museum Prag 03.06.1997: „Wir können nicht feststellen, daß es eine selbständige Gruppe war, die er begleitet hat“).

Quellen StA (dort alle verfügbaren Quellen); Brunner 1997, 1999; PäA; JMP; ABJ; GV.

Abkürzungen, Literatur, Quellen:

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