Biografische Angaben
| 1897-1900 Ausbildung im Freiburger Lehrerinnenseminar, 1901 Eintritt in die Oberprima der Freiburger Oberrealschule, 1902 Abitur. 1902-03 Studium rer.nat., 1894-1908 Studium med. Freiburg, München., Dissertation med. Freiburg 1908, Approbation 1909. 1909-15 Ausbildung an verschiedenen Kliniken in Düsseldorf (Schloßmann), Berlin (1910 Neumann’ sches Kinderhaus), Bremen und Straßburg (Salge). 1915 Niederlassung als Säuglings- und Kinderärztin, sowie für „ärztliche Erziehungsberatung“ in Freiburg. Tätigkeit als Sport- und Schulärztin. 1919-22 Stadtverordnete für die Deutsche Demokratische Partei in der ersten Legislaturperiode des Bürgerausschusses der Weimarer Republik. Einsatz für die Mütterberatung, für Kinder- und Jugendhorte, für fahrbare Notküchen in der Hungerzeit der Inflation, für Frauenbildung und Frauenstudium. Wiss. Studie an Freiburger Schulen zur Beurteilung der Begabung nach sozialen Bedingungen; vom Schulamt verworfen. Zusammenarbeit in sozialpädagogischen und -pädiatrischen Fragen mit Prof. Noeggerath (Univ. Kinderklinik).
Mitbegründerin und Vorstandsmitglied des „Deutschen Ärztinnenbundes“ in Berlin. Gründerin der Ortsgruppe Freiburg des „Deutschen Akademikerinnenbundes“. 1928 Promotion zum Dr. phil. auf dem Gebiet der Psychotherapie. Pädagogische Tätigkeit in einer Höheren Mädchenschule. 1933 Entzug der Kassenpraxis, Aufgabe der Privatpraxis; 1933-38 Besuch psychotherapeutischer Vorlesungen in Berlin (?). Herbst 1938 Rückkehr nach Freiburg. RMK 191937+, Adresse im Elternhaus Goethestr. 33.
22.10.1940 Deportation mit Schwester Martha und Bruder Prof. Dr. Robert Liefmann (1874-1941; 1914-1933 o. Prof. f. Nationalökonomie an der Univ. Freiburg) in das Lager Gurs.
„Als meine Schwester und ich durch eine Öffnung im Stacheldraht in das Camp eintraten, rief jemand auf französisch, ob eine Ärztin da sei. Ich meldete mich und so wurde ich nach einer Baracke gewiesen...Diese Baracke aus Holz wurde ‚Infirmerie’ (Aufenthalt für Kranke) genannt. Sie bestand aus drei kleinen Räumen beim Eingang und einem großen Raum dahinter. Dort lagen einige Strohsäcke in der Ecke, sonst war die Baracke leer. Weder das elektrische Licht noch der einzige Wasserhahn funktionierten. Nach und nach sammelten sich etwa dreißig Frauen, die meisten sehr alt und gebrechlich...Die älteste Frau war 98 Jahre alt, körperlich noch verhältnismäßig rüstig, aber im Alter kindisch geworden. Sie wurde später wie ein Paradepferd von französischen ‚Chefarzt’ den auswärtigen Besuchern gezeigt und auf die Frage, wie es ihr hier gefalle, antwortete sie mit blödem Lächeln: ‚Ausgezeichnet’...“
Winter 1940/41 ärztl. Tätigkeit; „Die Zahl der Gräber nahm in dieser Zeit erschreckend zu. Es war eine Dysenterie im Lager ausgebrochen, die in kurzer Zeit viele Menschen, alte und junge, hinraffte. Isolierungsmöglichkeiten gab es nicht...In jenen Wochen war es fast eine Qual, hier als Arzt tätig zu sein...“
Durch Vermittlung einer Schweizer Hilfsorganisation nach 4 Monaten Entlassung mit einem sog. Congé de Santé, Zwangsaufenthalt in Morlaas, Südfrankreich. Tod des Bruders. Mit Hilfe der Internationalen Vereinigung der Akademikerinnen und der Quäker Übersiedlung nach Dieulefit, Dép. Drôme. Herbst 1942 Flucht über die Berge in die Schweiz. Seit 21.9.1942 in Zürich, Flühgasse 37, später Feldeggstr. 49. Keine ärztliche Tätigkeit mehr, Vorträge im Bund schweizerischer Ärztinnen, schriftstellerische Tätigkeit. 14.5.1952 Verleihung des Professorentitels durch die badische Landesregierung. 27.1.1956 Schweizer Bürgerrecht des Kantons Zürich.
1966 Publikation von Erinnerungen an den Abtransport aus Freiburg und die Situation im Lager Gurs: „Helle Lichter auf dunklem Grund“; „...unsere junge Generation soll wissen, was Menschen in unserem Jahrhundert in einer ‚christlichen’ Bevölkerung unter dem Druck einer teuflischen Übermacht sich zuschulden kommen ließen, da sie diese Übermacht nicht als böse erkannt haben. So wurden sie selbst unmenschlich. Es ist die Frage, ob dergleichen unter ähnlichen Verhältnissen vielleicht auch in anderen Ländern möglich gewesen wäre.“ |
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