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Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin im Blickfeld der Politik

22.03.2022

Die stationäre Versorgung von Kindern hat Eingang in verschiedene Ebenen der politischen Diskussion gefunden.

Die Krankenhausstrukturen und die Krankenhausfinanzierung über DRG-Fallpauschalen sind seit längerem Gegenstand einer kritischen Diskussion. Insbesondere der Aspekt der fallzahlunabhängigen Finanzierung einer Vorhaltung relevanter wohnortnaher Versorgungsstrukturen (z. B. Notfallversorgung, Geburtshilfe und Kinder- und Jugendmedizin) ist gegenwärtig nicht angemessen im stationären Entgeltsystem etabliert. Die ursprüngliche duale Finanzierung im Krankenhausbereich wurde und wird durch jahrelange Unterfinanzierung der Investitionskosten der Bundesländer unterlaufen. Schon lange setzt sich die DGKJ gemeinsam mit anderen kinder- und jugendmedizinischen Fachgesellschaften und Verbänden für die Überarbeitung des Finanzierungssystems der stationären Pädiatrie ein. Die Finanzierung durch das Fallzahl-abhängige DRG-System, das eine Mengenausweitung und gut abbildbare technische Leistungen honoriert, führt zu unerwünschten Effekten wie Überversorgung (Fahlzahlsteigerung um jeden Preis), Fehlversorgung (im Zweifel Entscheidung für eine erlösträchtigere Maßnahme am Patienten) oder Unterversorgung (Vernachlässigung ökonomisch unattraktiver Patientengruppen). Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin sind wegen überproportional hoher Fix- und Vorhaltekosten wirtschaftlich in diesem System schwierig zu führen, sie sind aber notwendig im Sinne einer Daseinsfürsorge.

Die stationäre Versorgung der komplex und chronisch kranken Kinder ist ebenfalls ökonomisch unattraktiv. Die flächendeckende stationäre Versorgung von Kindern und Jugendlichen auf hohem Niveau in akzeptabler Nähe zum Wohnort kann langfristig nur durch entsprechende Anpassungen in der Finanzierung durch Bund und Länder gesichert werden.

Die aktuelle Regierungskoalition bekennt sich in ihrem Koalitionsvertrag zu dieser Problematik und streicht dies mit dem Ziel der Umsetzung eines Bund-Länder-Pakts, um die nötigen Reformen für eine zeitgemäße und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung anzugehen, heraus. Auch eine bedarfsgerechte auskömmliche Finanzierung für die Pädiatrie soll kurzfristig umgesetzt werden.

Vor der Formulierung des Koalitionsvertrages hatte die Finanzierungsthematik bereits mehrfach in Form von Anträgen im Bundesrat Eingang in die bundespolitische Debatte gefunden. Dies beinhaltete auch die Aufforderung an die Bundesregierung, bis Ende des Jahres 2021 ein tragfähiges Konzept zur Weiterentwicklung der Krankenhausfinanzierung vorzulegen – diesem Auftrag kam die Bundesregierung bisher nicht nach.

Gemeinsam mit der Gesellschaft der Kinderkrankenhäuser und Kinderabteilungen in Deutschland (GKinD) hat die DGKJ im Austausch mit dem GKV-Spitzenverband nun einen kurzfristig umsetzbaren Vorschlag für eine populationsbezogene, bedarfsgerechte und auskömmliche Finanzierung der stationären Versorgung von Kindern erarbeitet. Auch wenn erwartungsgemäß nicht in allen Punkten ein Konsens mit dem GKV-Spitzenverband erzielt werden konnte, herrscht in den wesentlichen Fragen Einigkeit. Dies ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einer dringend notwendigen auskömmlichen Finanzierung der stationären Pädiatrie. Wir hoffen, dass dieser Vorschlag auf bundespolitischer Ebene angemessene Beachtung und Berücksichtigung findet. Das vorerst vertrauliche Papier liegt den entsprechenden Akteuren vor.

Das seit einigen Jahren offensichtliche Finanzierungsproblem wird durch den Mangel an Pflegekräften, v.a. in der Kinderkrankenpflege, zusätzlich verschärft. Ein Beispiel für den überbordenden Bürokratismus ist die Pflegepersonaluntergrenzenverordnung (PpUGV), die aktuell in der Pädiatrie zusätzliche Aufgliederungen definiert, die in den Krankenhäusern neben den bereits existierenden einerseits kaum umgesetzt werden können und zusätzliche Dokumentationspflichten und komplexe Pflegepersonaleinsatzplanung zur Folge hat. Gemeinsam mit mehreren pädiatrischen Fachgesellschaften und Verbänden hatte die DGKJ im September 2021 in einer umfangreichen Stellungnahme zu dem Referentenentwurf der Verordnung diese Problematik gegenüber dem Bundesministerium für Gesundheit erläutert und auf den erheblichen Überarbeitungsbedarf hingewiesen. Diese Kritik fand keine Berücksichtigung. Immer wieder verweisen wir auf unterschiedlichen Kommunikationswegen und in Gesprächen mit politischen Akteuren Probleme, vor die die PpUGV uns in den Kliniken stellt. Wir stellen eine angemessene Pflegepersonaluntergrenze explizit nicht in Frage, sie muss jedoch unter Berücksichtigung der Versorgungsrealität formuliert werden, um eine ordnungsgemäße Umsetzung zu ermöglichen.

Priv.-Doz. Dr. med. Burkhard Rodeck, DGKJ-Generalsekretär

 

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