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Zur geplanten Krankenhausreform

16.12.2022

Die Rettung für die Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin? - Ein politischer Kommentar.

Kliniken und Abteilungen für Kinder- und Jugendmedizin befinden sich in einer Krise, bundesweit schlagen Kinder- und Jugendmediziner/-innen, Eltern und Kliniken Alarm. Die aktuelle RS- und Influenza-Viren Infekt-Welle hat wie durch ein Brennglas sichtbar gemacht, was sich schon lange abgezeichnet hat:  Ursache der akuellen Extremsituation ist eine systembedingt generelle Unterfinanzierung der Kliniken, die die qualitative Versorgung unserer Kleinsten ernsthaft gefährdet. Dieser Missstand ist langfristig nur durch eine grundlegende Umstrukturierung des DRG-basierten, fallzahlabhängigen Vergütungssystems der Pädiatrie aufzulösen. Kinderkliniken müssen in ausreichender Zahl und Struktur einfach da sein, um die kleinen Patienten versorgen zu können. Diese Vorhaltung muss fallzahlunabhängig finanziert werden. Das schafft das DRG-System nicht. Die DGKJ hatte hierfür bereits mehrfach Lösungsansätze vorgelegt. Erste wichtige konzeptionelle Schritte wurden in Kooperation mit der Gesellschaft der Kinderkrankenhäuser und Kinderabteilungen in Deutschland (GKinD) und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV-Spitzenverband) seit 2019 erarbeitet. Die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung, die Bundesgesundheitsminister Lauterbach im Mai 2022 einberufen hatte, greift vergleichbare Elemente auf.  In ihren Stellungnahmen teilt die Kommission mit der DGKJ ein klares Hauptanliegen: In Zukunft muss eine fallzahlunabhängige Vorhaltekostenerstattung das bisherige System ergänzen.

Am 6. Dezember hat Bundesgesundheitsminister Lauterbach nun eine „revolutionäre“, große Krankenhausreform angekündigt, in die die Vorschläge der Kommission eingeflossen sind.

Bis diese große Reform umgesetzt werden und wirken kann, vergehen allerdings noch Jahre. Für 2023 und 2024 sollen kurzfristig bereitgestellte finanzielle Mittel laut Krankenhauspflegentlastungs­gesetz (KHPflEG) vom Dezember 2022 zur Besserung beitragen. Auch wenn diese Förderung keinen länger anhaltenden Effekt haben wird, sind die mit dem Gesetz beschlossenen zusätzlichen 600 Mio. Euro für die nächsten zwei Jahre ein deutliches Signal und eine Unterstützung für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Somit sind wir aus der Diskussion der vergangenen Jahre, ob das Problem überhaupt vorhanden ist, heraus, und wechseln in die Diskussion um sinnvolle Lösungen. Eine zielgerichtete zusätzliche Finanzierung von Kliniken und -abteilungen für Kinder- und Jugendmedizin wäre allerdings deutlich effektiver gewesen. Denn nur in Fachabteilungen und Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin ist der Vorhaltekostenanteil im Vergleich zu allen anderen Kliniken unverhältnismäßig hoch. Nur dort ist die Finanzierungslücke evident und dort sollte prioritär unterstützt werden. Aufgrund der im KHPflEG formulierten Regelung erhalten auch Fachabteilungen zusätzliche Mittel, die zwar Kinder behandeln, die besonderen pädiatrischen Strukturen aber gar nicht vorhalten. Wir gehen daher davon aus, dass zwischen 25 und 30 % der zusätzlichen Finanzsumme gar nicht in den Kinderkliniken ankommen. Zudem wird nur die Behandlung von Kindern im Alter von über 28 Tagen bis 16 Jahren gefördert, d.h. kranke Neugeborene und auch Jugendliche profitieren davon nicht.

Die Grundlage der Förderung der einzelnen Klinik bilden die erzielten Einnahmen von 2019. Diese werden dann für die Jahre 2023 und 2024 zusätzlich um jeweils 300 Millionen Euro aufgestockt. Davon sind je 270 Mio. Euro über die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds abgesichert. Noch ist nicht final geklärt, woher der Restbetrag der Zusatzgelder kommt. Komplexe Ausgleichsmechanismen im Gesetz führen dazu, dass Kliniken, die aktuell im Vergeich zu 2019 mehr Leistungen erbringen, kaum davon profitieren. Insgesamt bleibt man in der Fallzahl-orientierten Systematik des DRG-Systems. Wir gehen davon aus, dass sich eine auskömmliche Finanzierung der stationären Kinder- und Jugendmedizin mit etwa 20 % der Gesamterlöse von Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin realisieren lässt.

Die angekündigte Krankenhausreform kann für Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin nur sinnvoll sein, wenn das DRG-System im Sinne der Modelle der 1. Stellungnahme der Regierungskommission zur Reform der Krankenhausfinanzierung entsprechend weiterentwickelt wird. Der ökonomische Druck auf die pädiatrischen Abteilungen soll kurzfristig reduziert werden, eine flächendeckende, qualitativ hochwertige und wohnortnahe Versorgung sichergestellt werden. In ihrer 3. und aktuellen Stellungnahme legte die Kommission erste Eckpunkte zur Reform der Krankenhausvergütung vor.  Aus dem darin empfohlenen einzurichtenden Sonderfonds soll ein Aufschlag von bis zu 20 % für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen in der Pädiatrie und der Kinderchirurgie berechnet werden. Diese Empfehlung begrüßt und unterstützt die DGKJ. Allerdings ist zur Stabilisierung der Versorgungssituation in der Kinder- und Jugendmedizin ein Aufschlag von mindestens 20 % notwendig. Ein geringerer Aufschlag würde nicht ausreichen, um die Versorgung auskömmlich und langfristig zu finanzieren.

Eines der Ziele der Krankenhausreform ist die gezieltere Zuleitung der Patient/-innen an eine passgerechte qualitative Versorgung. Aktuell fehlt es im gesamten Bundesgebiet an Kapazitäten in der stationären Versorgung der Kleinsten. Eines der primären Probleme dabei ist neben der Finanzierungsproblematik nicht allein ein Bettenmangel, sondern zusätzlich der Fachkräftemangel, insbesondere in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege. Die Bundesregierung muss hier wie im Koalitionsvertrag angekündigt kurzfristig umsetzbare Lösungen schaffen. Die zusätzlichen, bisher nicht leistungsgebundenen Finanzmittel sollten in der Vergabe an klar definierte Kriterien geknüpft werden, die eine gute Strukturqualität ermöglichen. Für die Grund- und Regelversorgung in der Pädiatrie kann hier auf ein seit 2009 etabliertes Verfahren zurückgegriffen werden: „Ausgezeichnet. FÜR KINDER (AfK)“. Gute Strukturqualität bedeutet immer auch eine qualitative und quantitative Personalausstattung. Dies ist insbesondere in der Kinderkrankenpflege dringend nötig – es muss kinder-qualifiziertes Pflegepersonal ausgebildet und aufgebaut werden. Im Zuge der Einführung der generalistischen Pflegeausbildung haben zahlreiche Pflegeschulen bundesweit den Ausbildungsweg in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege gänzlich vom Stundenplan gestrichen. Hier besteht dringend Handlungsbedarf.

Die bisher vorgestellten ersten Eckpunkte der Krankenhausreform sind vielversprechend. Zeitnah will die Regierungskommission weitere Eckpunkte vorlegen. Bisher waren die Bundesländer, ohne deren Unterstützung und Beteiligung eine Krankenhausreform nicht möglich sein wird, nicht in diesen Prozess eingebunden. Wir hoffen, dass die Länder und weitere Beteiligte bei der für Anfang Januar angekündigten Konferenz zur Reform diese auch begrüßen. Die Verantwortung für die Krankenhausplanung liegt bei den Ländern, die Bereitstellung der Investitionsmittel im Rahmen der dualen Krankenhausfinanzierung auch. Letzterer Aufgabe sind die Länder in den vergangenen Jahren nur ungenügend nachgekommen. In den letzten Jahren wurden nur ca 50% der bestandserhaltenen Investitionsmaßnahmen gefördert. Nur durch die Zusammenarbeit von Bund und Ländern können die starke Ökonomisierung der medizinischen Versorgung unserer Jüngsten und die prekäre Situation in Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin langfristig verbessert werden.

 

 

Priv.-Doz. Dr. Burkhard Rodeck, Generalsekretär der DGKJ

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