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Blick nach Berlin

12.01.2024

Ein Ausblick auf die politischen Aufgaben für 2024

Das ereignisreiche Jahr 2023 stand ganz im Zeichen der herausfordernden gesundheitspolitischen Themen wie z. B. die geplante Krankenhausstrukturreform, die Arzneimittelversorgung, die vielfältigen Belastungen gerade der jungen Generation nach der Pandemie und anderes. Die bestmögliche gesundheitliche Versorgung der Kinder und Jugendlichen in unserem Land war und ist für die DGKJ das maßgebliche Ziel. Ein Ziel, das auch die Bundesrepublik mit der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention schon 1992 zumindest anerkannt, jedoch bislang immer noch nicht adäquat realisiert hat. Die Bedürfnisse unserer Jüngsten und deren Gesundheit müssen viel stärker Eingang in die politischen Entscheidungs- und Gesetzgebungsprozesse erhalten. Politisches Engagement für unsere Kinder zeigt Effekte erst in der Zukunft, weit nach Ablauf einer Legislaturperiode. Politische Entscheidungen dürfen daher nicht nur auf Kurzzeiteffekte und vermeintliche Lösungen ausgerichtet sein, sie müssen im Sinne einer Generationengerechtigkeit langfristig angelegt sein. Darauf werden wir immer wieder hinarbeiten. Im Folgenden eine Auswahl unserer wichtigsten Anliegen:

  • Finanzierung von Kliniken/Abteilungen für Kinder- und Jugendmedizin

Ökonomischer Druck hat die Kinder- und Jugendmedizin in den letzten 20 Jahren in eine große Schieflage gebracht. Durch die geplante Krankenhausreform soll dies korrigiert und verhindert werden. Es ist erfreulich, dass die Regierungskommission zur Krankenhausreform in ihren bisher formulierten Stellungnahmen auch ganz explizit die Pädiatrie in den Fokus ihrer Arbeit genommen hat. Eine zeitnahe Lösung ist hier besonders wichtig. Die stationäre Versorgung von Kindern und Jugendlichen kann nur durch entsprechende Anpassungen durch Bund und Länder langfristig gesichert werden. Die Kinder- und Jugendmedizin mit ihren unterschiedlichen Spezialisierungen umfasst die gleiche breite Fächerung wie die gesamte Erwachsenenmedizin. Daher ist es für eine gelingende Krankenhausreform grundlegend, eine entsprechende Differenzierung der Leistungsgruppen vorzunehmen. So hat es auch die Regierungskommission in ihrer 3. Stellungnahme aufgezeigt und in ihrer 6. Stellungnahme bestätigt. In der zeitnah zu erwartenden weiteren Ausformung der Krankenhausreform muss dies unbedingt berücksichtigt und aufgenommen werden, ebenso in dem anstehenden Krankenhaustransparenzgesetz, das ohne adäquate Differenzierung der Leistungsgruppen eher für Intransparenz sorgt. Eine sichere Finanzierung der Krankenhäuser wird allein durch eine Reform der Betriebskostenfinanzierung nicht gesichert; im Rahmen der dualen Krankenhausfinanzierung sind auch die Länder klar in der Pflicht, die Investitionskosten zu erstatten.

  • Neuregelung der Ärztlichen Approbationsordnung (ÄApprO)

Die Kinder- und Jugendmedizin in Deutschland ist genauso wie die Allgemeinmedizin unverzichtbar für die hausärztliche Primärversorgung. Rund 7.500 niedergelassene Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte bilden eine unverzichtbare Säule der hausärztlichen Versorgung. Die Stärkung der hausärztlichen Versorgung ist ein wichtiges Anliegen bei der Überarbeitung der Approbationsordnung. Die Kinder- und Jugendmedizin und deren Einbeziehung in das Medizinstudium darf dabei keinesfalls zu kurz kommen. Für den Fortbestand einer eigentlich selbstverständlichen qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung von Kindern ist eine adäquate Einbindung der Pädiatrie bei der geplanten Neuregelung der ÄApprO essenziell.

  • Kinderarzneimittel-Engpässe, Medizinprodukteverordnung

Seit mittlerweile fast anderthalb Jahren ist die Verfügbarkeit von kindgerechten Antibiotika und anderer Arzneimittel in Form von Säften (Trockensäfte, Suspensionen) und teils auch in Tablettenform aufgrund des hohen Verbrauchs in den letzten Infektionswellen aus produktionsbedingten und liefertechnischen Gründen national und international noch eingeschränkter als vor dem Herbst 2022. Die DGKJ setzt sich seit längerem für eine Besserung der Situation bei den Arzneimittelengpässen ein. Im Rahmen eines Kinderarzneimittelgipfels stellte Bundesgesundheitsminister Prof. Lauterbach einen 5-Punkte-Plan zur Sicherung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln im Herbst/Winter 2023/24 vor. Die DGKJ unterstützt diese Initiative ausdrücklich. Das im Juni `23 beschlossene Arzneimittel-Lieferengpass-Bekämpfungs- und Versorgungs-Verbesserungs-Gesetz (ALBVVG) greift diese Problematik auf. Grundsätzlich ist das ALBVVG als guter und wichtiger Schritt zu begrüßen, um den Arzneimittelengpässen zu begegnen - eine kurzfristige Verbesserung wird es jedoch nicht bringen können. Notwendig sind tragfähige Maßnahmen zur Verbesserung der Lage in naher und mittlerer Zukunft, um die Engpässe auch in der aktuellen Infekt-Saison abmildern zu können.

Für eine bessere und gezieltere Steuerung der Arzneimittel-Versorgung hat das Bundesgesundheitsministerium eine High-Level-AG eingerichtet. Die DGKJ-Präsidentin Prof. Dr. med. Ursula Felderhoff-Müser gehört diesem regelmäßig tagenden Steuerungskreis an und vertritt dort die Aspekte der Kinder- und Jugendmedizin.

Ein dringendes Problem stellt der damit verbundene off-label-use dar: Arzneimittelengpässe im Kindes- und Jugendalter können oft nur durch den Einsatz von Medikamenten, die für das entsprechende Alter oder die Darreichungsform nicht zugelassen sind, kompensiert werden. Seitens der gesetzlichen Krankenversicherungen besteht aber keine Verpflichtung zur Kostenübernahme, es sei denn, dass u.a. ein schwerwiegender lebensbedrohlicher Verlauf anders nicht abzuwenden ist. Die Definition der einzelnen scharfen Bedingungen aus einem Bundessozialgerichtsurteil wird jedoch meist sehr streng ausgelegt. Dieses Problem muss unbedingt Berücksichtigung finden. Mit den bisher geplanten Regelungen wird keine rasche und nachhaltige Lösung der Engpassproblematik geschaffen.

Die neue europäische Medizinprodukteverordnung bedroht die Verfügbarkeit von für Kinder notwendigen Medizinprodukte (z. B. Herzkatheter). Diese bewährten Produkte müssen aus den verschärften Regeln herausgenommen werden.

  • Werbeverbot für ungesunde „Kinderprodukte“

Das von Bundesernährungsminister Özdemir bereits im Februar 2023 angekündigte und im Juli vorgestellte Gesetz für mehr Kinderschutz in der Werbung lässt auf sich warten. Die DGKJ, die auch Mitglied der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) ist, unterstützt einen offenen Brief an die FDP-Parteispitze für die Umsetzung des Plans zur Einführung von Werbeschranken für Lebensmittel mit einem hohen Zucker-, Fett- oder Salzgehalt. Seit langem engagiert sich die DGKJ für eine gesündere Ernährungspolitik im Sinne der Kinder- und Jugendgesundheit. Aus fachlicher Sicht und im Interesse der Kindergesundheit ist die gesetzliche Regulierung der an Kinder gerichteten Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt eine dringende Notwendigkeit und längst überfällig.

  • Cannabis-Legalisierung

Das Bundesgesundheitsministerium hat einen Entwurf eines Gesetzes zur Cannabis-Legalisierung vorgelegt - auch unter dem Gesichtspunkt Jugendschutz. Die DGKJ hat sich mit anderen Verbänden explizit gegen den Gesetzentwurf ausgesprochen. Dem Jugendschutz dient die Legalisierung definitiv nicht, der Verbrauchermarkt wird dadurch geöffnet. Somit wird es für Jugendliche eher leichter, an Cannabisprodukte heranzukommen. Im Rahmen des Gesetzentwurfes wird u.a. auch das Rauchen adressiert. Entgegen den ersten Überlegungen wird es weiterhin erlaubt sein, in PKWs, in denen Kinder mitfahren, zu rauchen. Das originäre Recht des Kindes auf Gesundheit steht hier eindrücklich deutlich hinter dem Genuss-Recht des rauchenden Erwachsenen. Ein eklatanter Bruch der UN-Kinderrechtskonvention!

Wir blicken einem spannenden und hoffentlich friedlicheren Jahr 2024 entgegen, in dem sich die DGKJ weiterhin für die qualifizierte gesundheitliche Versorgung der Jüngsten sowie deren Chancengleichheit in unserer Gesellschaft engagieren wird.

 

Priv.-Doz. Dr. med. Burkhard Rodeck, Generalsekretär der DGKJ

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