Presseinfo Kinderarzneimittel
Wie gesetzliche Vorgaben einen Zusatznutzen aberkennen
Presseinfo zum Tag der Seltenen Erkrankungen am 28.2.2019
Kind sein und an einer Seltenen Erkrankung leiden? Das trifft die Jüngsten unserer Gesellschaft besonders.
Rund 8.000 Erkrankungen zählen zu den „Seltenen“, und 80% werden bereits in den ersten Lebensjahren manifest. Als Seltene Erkrankung gilt eine Krankheit, wenn weniger als 5 von 10.000 Menschen betroffen sind. Gerade hier sind Arzneimittelzulassungen eher die Ausnahme als die Regel.
Kinderarzneimittel zu entwickeln lohnt nicht – Studien sind sehr teuer und aufwändig, der Markt ist zu klein, somit werden viele Kinder in Deutschland mit Medikamenten behandelt, für die keine Zulassung in dieser Altersgruppe vorliegt – ein s.g. off-label-use.
Man sollte meinen, dass Lösungsansätze begeistert aufgegriffen und umgesetzt werden. Die Realität sieht anders aus.
Ein aktuelles Beispiel
Das AGS (Adrenogenitales Syndrom) gehört mit einer Häufigkeit von 1/13.000 zu den „Seltenen“. Die betroffenen Säuglinge brauchen eine dauerhafte Behandlung mit Hydrocortison, das nicht ausreichend gebildet wird. Hydrocortison ist ein Hormon, das auch als Arzneimittelwirkstoff ohne Altersbeschränkung zugelassen ist, allerdings in Tablettenform für Erwachsene. Nun ist die Dosis für einen Säugling viel geringer und schon gar nicht in Tablettenform zu verabreichen. Eine neue Zubereitung in Form eines Saftes mit geringer Konzentration wurde entwickelt und im Rahmen eines PUMA-Verfahrens zugelassen (Paediatric-Use Marketing Authorisation). Obwohl der Wirkstoff bekannt ist und lediglich eine kindgerechten Darreichungsform entwickelt wurde, wurde die Zulassung nach G-BA Vorgaben wie auch bei Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen einer frühen Nutzenbewertung unterzogen. Der Zusatznutzen wurde nicht anerkannt!
„Problematisch bei diesem Prüfprozess war“, so DGKJ-Generalsekretär Burkhard Rodeck, „dass hier nur der Wirkstoff auf seinen Zusatznutzen geprüft wurde. Hydrocortison ist Hydrocortison. Da gibt es keinen Zusatznutzen. Der enorme Vorteil für Kinder wäre hier aber aus der Form entstanden, den das neue Granulat gegenüber einer Fertigtablette bietet, durch eine sehr präzise Dosierung für jede Altersstufe und durch das leichtere Einnehmen. Dieser Nutzen einer sehr viel kindgerechteren Form gegenüber der großen Tablette, die evtl. noch geteilt und zerbröselt werden muss, wurde nicht berücksichtigt.“
Kinderarzneimittel: zu viele Hürden
Der Gemeinsame Bundesausschuss G-BA überging damit den pädiatrischen Bedarf vollends und versagte dem dringend benötigten Medikament die Anerkennung seines Zusatznutzens - und damit der Erstattung durch die Krankenkassen. Ein Beispiel, wie ein Regelwerk an der Versorgungsrealität und der -notwendigkeit unserer Kinder und Jugendlichen komplett vorbei geplant wird – hier zum Nachteil der Säuglinge mit AGS.
Zusätzlich folgt daraus, so konstatiert die DGKJ, ein negatives Signal für alle Arzneimittelhersteller: Die Investition in die Entwicklung von speziellen pädiatrischen Dosierungen hat schlichtweg zu viel Hürden zu nehmen. In den letzten 10 Jahren ist dies exakt 4 Präparaten gelungen.
Dr. Sybille Lunau Presse- und ÖffentlichkeitsarbeitDeutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ)
Tel: 030 3087779-14