Stellungnahmen für medizinische Fachkreise



Stellungnahmen für medizinische Fachkreise

In ihren Stellungnahmen gibt die DGKJ offizielle Empfehlungen zu bestimmten Themen der Kinder- und Jugendmedizin. Die Stellungnahmen der DGKJ gründen auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und werden von den einzelnen, fachlich zuständigen Kommissionen bzw. Sachverständigen erarbeitet. Die Stellungnahmen, die von den Kommissionen im Bündnis für Kinder- und Jugendgesundheit erarbeitet wurden, können Sie direkt auf der Webseite des Bündnisses  abrufen.

Die Bereitstellung der Online-PDFs der "Monatsschrift Kinderheilkunde" erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Springer-Verlags.


COVID-19 - Medikamentöse Therapie bei Kindern

09.04.2020

Die DGKJ-Kommission für Arzneimittelsicherheit im Kindesalter (KASK) gibt Hinweise zur medikamentösen Therapie bei an COVID-19 erkrankten Kindern.

COVID-19 – Medikamentöse Therapie bei Kindern

Stellungnahme der Kommission Arzneimittelsicherheit im Kindesalter (KASK) der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ):
Prof. Dr. Reinhard Berner1, Prof. Dr. Joachim Boos2, Prof. Dr. Bernhard Erdlenbruch3, Dr. Jost Kaufmann4, Dr. Dirk Mentzer5, Prof. Dr. Antje Neubert6, Dr. Dr. Helmut Pabel7, Prof. Dr. Wolfgang Rascher6, Dr. Sabine Scherer8, Prof. Dr. Matthias Schwab9, Prof. Dr. Norbert Wagner10, Prof. Dr. Fred Zepp (Sprecher)11

1: Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin

2: Universitätsklinikum Münster, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin

3: Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Mühlenkreiskliniken Minden

4: Kliniken der Stadt Köln, Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße

5: Paul-Ehrlich-Institut; Langen

6: Universitätsklinikum Erlangen, Kinder-  und Jugendklinik

7: Praxis für Kinder- und Jugendmedizin, Herford

8: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Bonn

9: Institut für Klinische Pharmakologie, Stuttgart

10: Uniklinik RWTH Aachen, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin

11: Universitätsmedizin Mainz, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin

 

- Stand 09.04.2020 -

Therapeutische Interventionen bei Patienten mit Infektionen durch das neue Coronavirus SARS-CoV-2 sind aufgrund der explosiven Dynamik der Epidemiologie der Erkrankung nicht systematisch untersucht und zur Zeit noch nicht mit belastbarer Evidenz hinterlegt. Während die Erkrankung
COVID-19 bei Erwachsenen einen durch Grunderkrankung, Alter und Komorbiditäten bestimmten, oft dramatischen Verlauf nimmt, jedoch durchaus auch jüngere Patienten ohne Vorerkrankung schwer betroffen sein können, scheinen bei Kindern schwerste Verläufe eine Rarität zu sein. Die Verläufe hospitalisierter Patienten werden in einem Survey der DGPI fortlaufend erfasst (https://dgpi.de/covid-19-survey-der-dgpi/).

In diesem Zusammenhang möchte die Kommission für Arzneimittelsicherheit bei Kindern (KASK) der DGKJ auf folgende Punkte bzgl. medikamentöser Therapien hinweisen.

  1. Vorbestehende Medikation: Bei pädiatrischen Patienten mit Grunderkrankung ist zu beachten, dass eine vorbestehende Medikation, u.a. auch mit ACE-Hemmern, Thrombozytenaggregationshemmern, Antikoagulantien, inhalativen Steroiden oder Immunsuppressiva nicht ohne Absprache mit den behandelnden Spezialisten abzusetzen ist.
  2. Nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAID): Es gibt keine belastbaren Hinweise darauf, dass die Behandlung mit NSAID, insbesondere Ibuprofen, einen negativen Effekt auf den Krankheitsverlauf hat. Die entsprechende WHO-Warnung wurde zurückgenommen. An der kritischen Indikationsstellung ändert sich nichts.
  3. Proteinase-Inhibitoren: Die Wirksamkeit von Lopinavir, Ritonavir, Favilavir oder Remdesivir ist nicht erwiesen. Remdesivir wird derzeit ausschließlich in klinischen Studien geprüft. Eine klare Indikation für den Einsatz bei Kindern existiert nicht, eine abschließende Bewertung kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht gegeben werden.
  4. Chloroquin/Hydroxychoroquin: Möglicherweise bieten Chloroquin/Hydroxychloroquin einen sinnvollen therapeutischen Ansatz; hier werden randomisierte Studien bei Erwachsenen auch in Deutschland durchgeführt. Eine klare Indikation für den Einsatz bei Kindern existiert nicht, eine abschließende Bewertung kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht gegeben werden.
  5. Tocilizumab, Anakinra: Ein wesentliches Element der Pathogenese von COVID-19 ist die Hyperinflammation, daher liegt es nahe, die Inflammation durch IL-6 oder IL-1 Blockade zu hemmen. Einzelfallberichte sind zum Teil vielversprechend. Eine klare Indikation für den Einsatz bei Kindern existiert nicht, eine abschließende Bewertung kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht gegeben werden.
  6. Steroide: Es gibt Hinweise, dass die Behandlung mit Steroiden den Krankheitsverlauf negativ beeinflusst. Eine abschließende Bewertung für den Einsatz bei Kindern kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht gegeben werden.

 

Die Kommission möchte hervorheben, dass angesichts der in der Mehrzahl eher milden Krankheitsverläufe bei Kindern spezifische Therapieempfehlungen nicht ausgesprochen werden können und eine Indikation für experimentelle Therapien in der Regel nicht gegeben ist. Die Kommission betont, dass das Prinzip „do not harm“ auch in der gegenwärtigen Situation oberste Priorität haben muss, was nicht heißen soll, dass nicht im Einzelfall auch individuelle Heilversuche notwendig werden können.

Ergänzend zu unseren Ausführungen möchten wir auf die Stellungnahme der DGPI, GPP, API, GKJR und STAKOB zur medikamentösen Therapie von Kindern mit COVID-19 verweisen.