Translate_Namse



Seltene Erkrankungen – Ergebnisse des Projekts TRANSLATE-NAMSE

Wir freuen uns, dass Sie als niedergelassene/er Kinder- und Jugendarzt/-ärztin ein Zentrum für Seltene Erkrankungen kennen! - Doch noch etwa die Hälfte der Ärzt/-innen müssen bei der Frage nach den in ihrer Region aktiven Zentren für Seltene Erkrankungen passen[1]. Und dies, obwohl mittlerweile an mehr als 30 Universitätskliniken Zentren nach den Kriterien des Nationalen Aktionsplans für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE) arbeiten.

Dabei können Zentren für Seltene Erkrankungen Kinder- und Jugendärzt/-innen in vielerlei Hinsicht bei der Betreuung von Betroffenen unterstützen: Dies hat das Innovationsfonds-Projekt TRANSLATE-NAMSE jetzt eindeutig aufgezeigt. Vor allem bei der Diagnosefindung und bei der Vermittlung an ein geeignetes Fachzentrum sind nach den Ergebnissen von TRANSLATE-NAMSE die etablierten Zentren hilfreich.

Durch die Arbeit der Zentren konnte bei 30% der pädiatrischen Patientinnen und Patienten, die im Projekt vorgestellt wurden, erstmals eine Diagnose gestellt werden, wobei sich insbesondere die Exom-Diagnostik als sehr hilfreich erwiesen hat. Aber neben der Diagnosefindung unterstützen Sie als niedergelassene Kinder- und Jugendärzt/-innen die Lotsinnen und Lotsen an den Zentren auch gerne bei der Suche nach entsprechenden Versorgungsangeboten, sowohl was eine vernetzte ärztliche Expertise betrifft als auch in Bezug auf passende Patientenorganisationen. Und auch die Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE e.V.) bietet einen entsprechenden ärztlich geleiteten Service. Nicht zuletzt gibt es viele wichtige Informationen zu den Zentren für Seltene Erkrankungen von Kontaktadressen bis hin zur besonderen Expertise im sogenannten SE-Atlas (www.se-atlas.de).

Die Ergebnisse des Projekts TRANSLATE-NAMSE sind für Kinder- und Jugendärzt/-innen besonders interessant, da zum einen mehr als die Hälfte aller eingeschlossenen Teilnehmer/-innen unter 18 Jahre alt war und zum anderen viele für die Pädiatrie wichtige Inhalte adressiert wurden, so z. B. auch die Transition der Patientinnen und Patienten mit Seltenen Erkrankungen. Die Ergebnisse waren so überzeugend, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in seinem Beschluss viele Beteiligte im Gesundheitswesen auffordert, zu prüfen, ob und wie die evaluierten Versorgungsaspekte – von einer Diagnosestellung bei unklarer Erkrankung bis hin zur Transition – in die Regelversorgung übernommen werden können.

Die kompletten Ergebnisse des vom Innovationsfonds des vom G-BA geförderten Projekts TRANSLATE-NAMSE und den Beschluss finden Sie auf der Webseite des G-BA.

Wir haben Ihnen aber unten folgend die wichtigsten Ergebnisse zum Nachlesen zusammengefasst.

Prof. Dr. Helge Hebestreit
Vorsitzender der Kommission Seltene Erkrankungen der DGKJ

 

 


[1]Druschke et al. Potentials and current shortcomings in the cooperation between German centers for rare diseases and primary care physicians: results from the project TRANSLATENAMSE. Orphanet Journal of Rare Diseases (2021) 16:494. https://doi.org/10.1186/s13023-021-02106-7

 

TRANSLATE-NAMSE

Das Projekt TRANSLATE-NAMSE wurde an den Zentren für Seltene Erkrankungen an neun Uniklinika in Deutschland umgesetzt. Insgesamt wurden 9.707 Patientenfälle bearbeitet, mehr als die Hälfte davon Kinder (siehe Abbildung 1).

Die Zuweisung von Kindern erfolgte in 96% durch Haus- oder Fachärzt/-innen und nur in einem verschwindend kleinen Teil durch Selbstzuweisung. 5.652 Fälle ohne Diagnose wurden strukturiert bearbeitet (u.a. im Rahmen von Fallkonferenzen, ggf. einer Vorstellung in einer Sprechstunde für unklare Diagnosen und evtl. auch einer Exomsequenzierung). Bei 30% der Teilnehmer/-innen konnte eine gesicherte, präzise Diagnose gestellt werden, davon in einem Drittel aller diagnostizierten Fälle bzw. 9% aller Teilnehmer*innen durch Exomsequenzierung. Dabei war die Rate an gestellten Diagnosen und insbesondere an Diagnosen einer Seltenen Erkrankung bei Kindern höher als bei Erwachsenen.

Mit der Versorgung im Projekt dauerte der Weg zur Diagnose für die Teilnehmer/-innen ohne gesicherte Diagnose nur ein halbes Jahr, während Kinder im Mittel zuvor vier und Erwachsene acht Jahre lang an verschiedenen Gesundheitseinrichtungen wegen ihrer unklaren Symptomatik behandelt worden waren. Ein strukturierter Versorgungspfad für die Transition führte zu einer signifikanten Verbesserung der Gesundheitskompetenz der Jugendlichen.

Insgesamt erreichte die innovative Versorgung im Projekt TRANSLATE- NAMSE eine sehr hohe (>75%) Zufriedenheit der Teilnehmer/-innen. Diese Bewertung war unabhängig davon, ob eine gesicherte Diagnose gestellt wurde oder nicht.

Bild: G-BA
Abbildung 1: Zentrale Ergebnisse des Projekts TRANSLATE-NAMSE (entnommen mit Genehmigung aus dem Ergebnisbericht zu dem Projekt - https://innovationsfonds.g-ba.de/downloads/beschluss-dokumente/158/2022-04-01_TRANSLATE-NAMSE_Ergebnisbericht.pdf).

Erläuterungen:

Leistungskomplexe 1 und 2) Diagnostikprozess bei Patient/-innen mit unspezifischen Symptomen in NAMSE Typ A bzw. Referenzzentren für Seltene Erkrankungen. Im Leistungskomplex 1 wurden die verfügbaren medizinischen Unterlagen u.a. in interdisziplinären Fallkonferenzen beurteilt, Leistungskomplex 2 umfasste neben weiteren Fallkonferenzen die Durchführung von Spezialdiagnostik incl. Exomsequenzierung am Zentrum. 

Leistungskomplex 3: Diagnostik und Therapieeinleitung in NAMSE Typ-B bzw. Fachzentren für Seltene Erkrankungen bei Patient/-innen mit Verdacht auf eine spezifische Seltene Erkrankung

Leistungskomplex 4:  Transitionsprozess in NAMSE Typ-B bzw. Fachzentren für Seltene Erkrankungen

 

 

Der Gemeinsame Bundesausschuss fasst die Ergebnisse des Projekts in seinem Beschluss wie folgt zusammen:

„Mit diesem Angebot konnte eine wesentlich verbesserte Versorgungseffizienz bei einer hohen Anzahl an Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf eine SE erzielt werden. So konnte bei einem Drittel der im Projekt Versorgten eine gesicherte Diagnose gestellt werden. Bei einem Viertel der Patientinnen und Patienten wurde eine seltene Erkrankung sicher diagnostiziert. Die Diagnosestellung erfolgte im Mittel innerhalb eines halben Jahres nach Einschluss ins Projekt. Damit endete im Mittel bei Kindern nach viereinhalb und bei Erwachsenen nach achteinhalb Jahren eine langjährige Phase der Unsicherheit über ihre Diagnose.“